Artenschutzrecht
Die Zugriffsverbote der besonders geschützten Flechtenarten ergeben sich aus § 44 BNatSchG. Streng geschützte Arten kommen im Untersuchungsgebiet vermutlich nicht mehr vor.
§ 44 Bundesnaturschutzgesetz:
[Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und
Pflanzenarten]
(1) Es ist verboten,
[...]
4. wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen
aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu
zerstören (Zugriffsverbote)
Generelle Ausnahmen von den Zugriffsverboten ergeben sich für die ordnungsgemäße Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft in den Bestimmungen des § 44 (4) BNatSchG:
(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote.
Weitere Ausnahmen von den Zugriffsverboten sind nach § 44 (5) BNatSchG für Eingriffsvorhaben und für Maßnahmen nach dem Baurecht vorgesehen:
5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5.
Nach Anhang IV der der FFH-Richtlinie kommen keine Flechtenarten vor. Insofern sind die diesbezüglichen Ausführungen des § 44 (5) BNatSchG hier nicht relevant. Von Bedeutung ist der letzte Satz dieses Absatzes:
Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.
In der Praxis wird dieser Satz oft ohne Beachtung des Zusammenhangs gelesen und so interpretiert, als könnten Wuchsorte besonders geschützter Arten ohne weitere Vorsorgemaßnahmen beseitigt werden. Der u.a. Kommentar führt dazu aus, dass die Privilegierung der Verfahren nach § 15 (1) und § 18 (2) BNatSchG voraussetzt, dass der Eingriff "richtig gesehen und bewältigt worden ist". Wenn die Durchführung fehlerhaft erfolgt oder gänzlich unterblieben ist, könne auch der Ausnahmetatbestand nach § 44 (5) nicht in Anspruch genommen werden. Wenn Flechten weder untersucht worden sind, noch eine Bewertung der Beeinträchtigungen einzelner Arten erfolgt ist, kann sicher nicht von einer Bewältigung des Eingriffs gesprochen werden.
Es ist davon auszugehen, dass im Rahmen der ordnungsgemäßen Durchführung der Eingriffsregelung immer geprüft werden muss, ob Vermeidungsmaßnahmen zum Erhalt besonders geschützter Arten möglich sind. Eine derartige Untersuchung setzt allerdings die Kenntnis der vorkommenden Arten, ihrer ökologischen Ansprüche und ihres Gefährdungsgrades voraus.
Nur auf Basis fundierter Bestandsdaten besteht die Möglichkeit, eine rechtskonforme Folgenbewältigung im Rahmen der Eingriffsregelung nachvollziehbar durchzuführen oder aber - sofern kein Eingriffstatbestand vorliegt - eine Ausnahme von den Verboten des § 44 (1) 4. BNatSchG entsprechend der Bestimmungen des § 45 (7) BNatSchG zu erwirken. Auch ein solches Ausnahmeverfahren kann nur erfolgreich sein, wenn hinreichende Gründe vorliegen, "zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, ".
Ohne die Kenntnis über möglicherweise vorkommende besonders geschützte Flechtenarten ist es im Regelfall kaum möglich, in den genannten Biotoptypen ein Vorhaben rechtskonform zu realisieren.
Quelle:
- BNatSchG (Bundesnaturschutzgesetz). Kommentar. Hrsg. Von W. FRENZ & H.-J. MÜGGENBORG (2015), 2. Aufl., Erich Schmidt Verlag.